R�ckersdorf

Seitenbereiche

  • wechselbild>
  • wechselbild
  • wechselbild
  • wechselbild
  • wechselbild

Seiteninhalt

Aus dem Archiv

Jiddische Musik mit dem Ensemble Le Chajim

Le Chaim - jiddische Musik in der Kirche:
Gesang, Gitarre, Akkordeon, Viola und Bass - Lieder Tänze und Geschichten aus dem Schtedl -


Jiddische Musik in einer evangelischen Kirche - ein Zeichen für Toleranz zwischen den Religionen: In der evangelischen St.-Georgs-Kirche in Rückersdorf entführte "Le Chaim" die Zuhörer einen Abend lang in die Welt der jiddischen Musik. "Le Chaim" heißt wörtlich übersetzt "zum Leben" und ist gleichbedeutend mit "zum Wohl, Prost". "Le Chaim", das sind Susanne Merklein (Kontrabass, Blockflöten, Gesang), Kerstin Doffek (Viola, Gesang), Sandra Wagner (Akkordeon) und Christof Ortlieb (Gitarre, Gesang), der auch humorvoll und sehr informativ durch das Konzert führte.

In seiner Einführung brachte der Initiator Jürgen Harries dem Publikum die Herkunft und die Entwicklung der jiddischen Sprache näher. Er beschrieb, wie sich durch die Isolation der Juden im Mittelalter in den Ghettos das Mittelhochdeutsche immer mehr mit hebräischen Elementen vermischte und daß durch die Flucht der Juden in den Osten das Jiddische von den slawischen Sprachen beeinflußt wurde. Harries illustrierte auch, wie in unserer Alltagssprache das Jiddisch-Hebräische weiterlebt: meschugge, mies, schäkern, kotzen, mogeln, aber auch taufen, Jubiläum und Mammon haben hier ihre Ursprünge.

Wenn Christof Ortlieb jiddisch singt, wird das Leben im Ghetto, im Schtedl, lebendig. Traurige, schwermütige Melodien steigern sich zu einem rasanten Tempo, der Klagegesang wandelt sich zur hoffnungsvollen Tanzmusik, zur Klezmer-Musik, die aus dem Volk kommt. Gleich das erste Lied von Le Chaim spiegelt diesen Zwiespalt wider: "Hey, klesmorim, gute brider!" - Hei, Musikanten, gute Brüder!, es wird musiziert und Wein getrunken, um die schreckliche Angst vor Verfolgung einzuschläfern. Einer der bedeutendsten Klezmer-Komponisten war Modechaij Gebirtig, der 1942 in Krakau ermordet wurde. Die Musiker in der St.-Georgs-Kirche spielten Lieder für die verschiedensten Anlässe: weinselige Trinklieder, Hochzeitstänze, Musik für religiöse Feste und Strophen, die einfach Trost spenden sollen. Christof Ortlieb fordert das Publikum zum Mitschnippen und -wippen auf, wenn er mit der Gitarre die Melodie vorgibt, Susanne Merklein mit ihrem riesenhaften Kontrabaß den Rhythmus bestimmt, aber auch ihre schöne Stimme einsetzt, Sandra Wagner mit dem Akkordeon Tempo gibt und Kerstin Doffek mit der Viola, mal sentimental, mal fiddelnd, die Klezmer-Musik mit europäischen bis hin zu orientalischen Klängen einfärbt.

Die Lieder erzählen aber auch vom täglichen Leben. Die Zuhörer sahen direkt vor Augen, wie in einer Kleinstadt irgendwo im Osten am Bahnhof ein Zug einfährt: Susanne Merkleins Flöte kündigt die ankommende Dampflok an, der Blasebalg von Sandra Wagners Akkordeon imitiert einen Traktor: Leben auf dem Lande. Ein weiteres Volkslied läßt einen kleinen Waisenjungen von seiner Arbeit erzählen: "Mich kennt a jeder, ich bin von Transport", so in etwa klingt die Geschichte, die musikalisch ihren kindlichen Charakter durch den hellen Klang der Piccolo-Flöte bekommt. Melancholisch wurde es noch einmal mit einem Stück zum Abschlussfest des jüdischen Bibeljahres, das übersetzt "Momente der Zuversicht" heißt. Typisch wieder das ausgelassene Fröhlichsein zu diesem Erntedankfest trotz Ausweglosigkeit der Ghetto-Bewohner. Heiterer wurde das Konzert in der zweiten Hälfte, als Le Chaim die Zuhörer mit Liebes-, Hochzeits- und Trinkliedern zum Mitträumen und Mitfeiern aufforderte.

Das Ensemble durchsetzte die Abfolge der Stücke immer wieder mit einer kleinen Melodie ohne Text, genannt Negonim. Die schmerzvollen Töne schwenken um in einen rasanten Tanz, fast trotzig rennt das Tempo davon und reißt die Zuhörer mit, das begeistert ist. So ringen sie dem Ensemble zwei Zugaben ab, bevor sie sich durch den engen Ausgang zwängen und zufrieden in die kühle Nachtluft treten.

Andrea Gerber-Kreuzer